Patanjalis Yoga Sutra

2. Kapitel SADHANA PADA

Im zweiten Kapitel werden die Ursachen des Leidens (klesha) genannt und deren Wirkungsweise beschrieben. Danach kommt die Unterrichtung der fünf ersten Schritte des achtfachen Yogaweges, nämlich Yama, Niyama, Asana, Pranayama und Pratyahara, mit deren Hilfe die Ursachen des Leidens angegangen werden können.

Das zweite Kapitel beschäftigt sich hauptsächlich mit Sadhana, der spirituellen Praxis. Zunächst erklärt Patanjali Kriya Yoga, die Körperreinigungsübungen, die auch von einem Anfänger problemlos ausgeführt werden können. Danach erläutert er die Kleshas, die Ursachen des Leidens und was Karma bedeutet. Er bespricht Teile der Yoga-Philosophie des Samkhya-Systems und beantwortet die Fragen nach dieser Welt, nach dem Sinn des Daseins auf der Erde, was Gebunden-Sein bedeutet und im Gegenzug dazu Befreiung. Der wohl berühmteste Teil des Yogasutra, die acht Glieder des Raja Yoga, befindet sich ebenfalls in diesem Kapitel. Insbesondere die ersten fünf Stufen - Yama, Niyama, Asana, Pranayama, Pratyahara und ihre Wirkungen, wenn wir sie üben, werden hier beschrieben.

Sadhana Pada

साधनपाद

Sādhana-Pāda

 

तपः स्वाध्यायेश्वरप्रणिधानानि क्रियायोगः ॥१॥

tapaḥ svādhyāy-eśvarapraṇidhānāni kriyā-yogaḥ ||1||
Eine Praxis mit Strenge und Achtsamkeit sich selbst gegenüber, ohne Verhaftung an das Resultat, wird Kriya-Yoga genannt. ||1||

 

समाधिभावनार्थः क्लेश तनूकरणार्थश्च ॥२॥

samādhi-bhāvana-arthaḥ kleśa tanū-karaṇa-arthaś-ca ||2||
Ist die Praxis auf das Ziel (Samadhi) ausgerichtet, dann werden die Bürden auf dem Weg (Klesha) verschwinden und das Ziel letztendlich erreicht. ||2||

 

अविद्यास्मितारागद्वेषाभिनिवेशः क्लेशाः ॥३॥

avidyā-asmitā-rāga-dveṣa-abhiniveśaḥ kleśāḥ ||3||
Mangel an Erkenntnisfähigkeit (Avidya), Identifikation mit dem Wandelbaren (Asmita), der Glaube, durch äußere Gegebenheiten Glück (Raga) oder Unglück (Dvesha) zu erfahren und eine tief sitzende Angst (Abinivesha) sind die Bürden auf diesem spirituellen Weg (Klesha). ||3||

 

अविद्या क्षेत्रमुत्तरेषाम् प्रसुप्ततनुविच्छिन्नोदाराणाम् ॥४॥

avidyā kṣetram-uttareṣām prasupta-tanu-vicchinn-odārāṇām ||4||
Mangelnde Erkenntnisfähigkeit (Avidya) ist der Acker für die übrigen Kleshas (Bürden). Avidya kann schlummernd, keimend, ausgewachsen oder übermächtig sein. ||4||

 

अनित्याशुचिदुःखानात्मसु नित्यशुचिसुखात्मख्यातिरविद्या ॥५॥

anityā-aśuci-duḥkha-anātmasu nitya-śuci-sukha-ātmakhyātir-avidyā ||5||
Vergängliches mit Ewigem, Unreines mit Reinem, Leidbringendes mit Freudvollem, das Vergängliche des Menschen mit dem unveränderlichen Kern zu verwechseln, wird Mangel an Erkenntnisfähigkeit (Avidya) genannt. ||5||

 

दृग्दर्शनशक्त्योरेकात्मतैवास्मिता ॥६॥

dṛg-darśana-śaktyor-ekātmata-iva-asmitā ||6||
Verwechslung des unveränderlichen Kern mit der vergänglichen Hülle wird Identifikation mit dem Wandelbaren (Asmita) genannt. ||6||

 

सुखानुशयी रागः ॥७॥

sukha-anuśayī rāgaḥ ||7||
Anzunehmen, dass äußere Umstände das Glück mit sich bringen, wird Gier (Raga) genannt. ||7||

 

दुःखानुशयी द्वेषः ॥८॥

duḥkha-anuśayī dveṣaḥ ||8||
Anzunehmen, dass äußere Umstände zu Leiden führen, wird Abneigung (Dvesha) genannt. ||8||

 

स्वरस्वाहि विदुषोऽपि समारूढोऽभिनिवेशः ॥९॥

svarasvāhi viduṣo-'pi samārūḍho-'bhiniveśaḥ ||9||
Die Angst (Abhinivesha) besteht aus sich selbst heraus und kann sogar den Weisen beherrschen. ||9||

 

ते प्रतिप्रसवहेयाः सूक्ष्माः ॥१०॥

te pratiprasava-heyāḥ sūkṣmāḥ ||10||
Diesen Bürden (Klesha) soll schon vom Keim her entgegengewirkt werden. || 10||

 

ध्यान हेयाः तद्वृत्तयः ॥११॥

dhyāna heyāḥ tad-vṛttayaḥ ||11||
Versenkung (Dhyana) auf das zu Überwindende löst diese Vorprägungen im wandelbaren Wesen des Menschen (Vritti). ||11|

 

क्लेशमूलः कर्माशयो दृष्टादृष्टजन्मवेदनीयः ॥१२॥

kleśa-mūlaḥ karma-aśayo dṛṣṭa-adṛṣṭa-janma-vedanīyaḥ ||12||
Die Bürden (Klesha) bilden die Grundlagen für Neigungen, aus denen dann Handlungen und Folgen (Karma) entspringen. Diese werden im Sichtbaren oder Unsichtbaren erfahrbar. ||12||

 

सति मूले तद्विपाको जात्यायुर्भोगाः ॥१३॥

sati mūle tad-vipāko jāty-āyur-bhogāḥ ||13||
Aus diesem Ursprung gereiftes zeigt sich in der sozialen Schichtzugehörigkeit, der Lebensspanne und dem Lebensglück. ||13||

 

ते ह्लाद परितापफलाः पुण्यापुण्यहेतुत्वात् ॥१४॥

te hlāda paritāpa-phalāḥ puṇya-apuṇya-hetutvāt ||14||
Die Frucht einer Handlung ist genussvoll oder leidvoll, je nachdem ob der Untergrund erfolgreich oder missglückt ist. ||14||

 

परिणाम ताप संस्कार दुःखैः गुणवृत्तिविरोधाच्च दुःखमेव सर्वं विवेकिनः ॥१५॥

pariṇāma tāpa saṁskāra duḥkhaiḥ guṇa-vṛtti-virodhācca duḥkham-eva sarvaṁ vivekinaḥ ||15||
Leiden entsteht durch Anhaften an vergehendes (Parinama) oder nicht existentes (Tapa) oder durch den unendlichen Prozess von Ursache und Wirkung (Samskara), schon die ständige Wandlung der Natur (Guna-Vritti) führt zu Leiden. Für den Unterscheidungsfähigen Menschen (Vivekina) ist das Leiden (Duhkha) allgegenwärtig.||15||

 

हेयं दुःखमनागतम् ॥१६॥

heyaṁ duḥkham-anāgatam ||16||
Zukünftiges Leiden (Duhkha) kann vermieden werden. ||16||

 

द्रष्टृदृश्ययोः संयोगो हेयहेतुः ॥१७॥

draṣṭṛ-dṛśyayoḥ saṁyogo heyahetuḥ ||17||
Die Anhaftung (Samyoga) des wahren Selbst (Drashtu) an das Wandelbaren (Drishya) ist die Ursache für Leiden. Leiden kann von der Ursache her (hetuh) vermieden werden (heya). ||17||

 

प्रकाशक्रियास्थितिशीलं भूतेन्द्रियात्मकं भोगापवर्गार्थं दृश्यम् ॥१८॥

prakāśa-kriyā-sthiti-śīlaṁ bhūtendriya-ātmakaṁ bhoga-apavarga-arthaṁ dṛśyam ||18||
Objekte und Situationen in der physischen Welt haben die Eigenschaft rein / Sattva (Prakasha), unruhig / Rajas (Kriya) oder träge / Tamas (Sthiti) zu sein, sie sind physisch (Bhuuta) oder feinstofflich (Indriya), führen zu kurzzeitigem Genuss (Bhoga) oder langfristiger Erlösung. ||18||

 

विशेषाविशेषलिङ्गमात्रालिङ्गानि गुणपर्वाणि ॥१९॥

viśeṣa-aviśeṣa-liṅga-mātra-aliṅgāni guṇaparvāṇi ||19||
Physische Objekte haben folgende Zustände: bestimmbar, unspezifisch, symbolhaft, jenseits von Symbolen. ||19||

 

द्रष्टा दृशिमात्रः शुद्धोऽपि प्रत्ययानुपश्यः ॥२०॥

draṣṭā dṛśimātraḥ śuddho-'pi pratyaya-anupaśyaḥ ||20||
Das wahre Selbst (Drashtu) sieht ausschließlich, es ist unveränderlich, obwohl das Sehen auf richtiger Wahrnehmung basiert. ||20||

 

तदर्थ एव दृश्यस्यात्मा ॥२१॥

tadartha eva dṛśyasya-ātmā ||21||
Die einzige Daseinsberechtigung für physische Objekte ist, durch das wahre Selbst (Atma) wahrgenommen zu werden. ||21||

 

कृतार्थं प्रतिनष्टंप्यनष्टं तदन्य साधारणत्वात् ॥२२॥

kṛtārthaṁ pratinaṣṭaṁ-apy-anaṣṭaṁ tadanya sādhāraṇatvāt ||22||
Hat ein Objekt diesen seinen Zweck erfüllt, verschwindet es nicht, es bleibt dennoch als dieses für andere bestehen, da es für alle gültig ist. ||22||

 

स्वस्वामिशक्त्योः स्वरूपोप्लब्धिहेतुः संयोगः ॥२३॥

svasvāmi-śaktyoḥ svarūp-oplabdhi-hetuḥ saṁyogaḥ ||23||
Die Verbindung des Wandelbaren mit dem Beständigen hat nur den Zweck, die wahre, beständige Natur zu erkennen. ||23||

 

तस्य हेतुरविद्या ॥२४॥

tasya hetur-avidyā ||24||
Die Ursache für eine Identifikation mit dem Wandelbaren ist mangelnde Erkenntnisfähigkeit (Avidya). ||24||

 

तदभाबात्संयोगाभावो हानं तद्दृशेः कैवल्यम् ॥२५॥

tad-abhābāt-saṁyoga-abhāvo hānaṁ taddṛśeḥ kaivalyam ||25||
Wenn die mangelnde Erkenntnisfähigkeit (Avidya) verschwindet, verschwindet auch diese Identifikation. Ist diese ganz aufgelöst, dann ist die Befreiung (Kaivalya) des wahren Selbst (Drashtu) erreicht. ||25||

 

विवेकख्यातिरविप्लवा हानोपायः ॥२६॥

viveka-khyātir-aviplavā hānopāyaḥ ||26||
Unterscheidungskraft (Viveka) und die ununterbrochene Erkenntnis sind der Weg zu diesem Ziel. ||26||

 

तस्य सप्तधा प्रान्तभूमिः प्रज्ञ ॥२७॥

tasya saptadhā prānta-bhūmiḥ prajña ||27||
Dieser Pfad zur Erkenntnis hat sieben Stufen. ||27||

 

योगाङ्गानुष्ठानादशुद्धिक्षये ज्ञानदीप्तिराविवेकख्यातेः ॥२८॥

yoga-aṅga-anuṣṭhānād-aśuddhi-kṣaye jñāna-dīptir-āviveka-khyāteḥ ||28||
Durch die Übung dieser Glieder des Yoga werden die Unreinheiten überwunden, Weisheit und fortwährende Unterscheidungskraft erstrahlt. ||28||

 

यम नियमासन प्राणायाम प्रत्याहार धारणा ध्यान समाधयोऽष्टावङ्गानि ॥२९॥

yama niyama-āsana prāṇāyāma pratyāhāra dhāraṇā dhyāna samādhayo-'ṣṭāvaṅgāni ||29||
Achtung gegenüber Deinen Mitmenschen (Yama) und gegenüber Dir selbst, (Niyama), Harmonie mit Deinem Körper (Asana), Deiner Energie (Pranayama), Deinen Emotionen (Pratyahara) und Deinen Gedanken (Dharana), schließlich Versenkung (Dhyana) und Ekstase (Samadhi), sind die Glieder des achtfachen Pfades. ||29||

 

अहिंसासत्यास्तेय ब्रह्मचर्यापरिग्रहाः यमाः ॥३०॥

ahiṁsā-satya-asteya brahmacarya-aparigrahāḥ yamāḥ ||30||
Nicht verletzen (Ahimsa), Wahrhaftigkeit (Satya), nicht stehlen (Asteya), handeln im Bewusstsein eines höheren Ideals (Brahma-Charya) und Unbestechlichkeit (Aparigraha), begründet die Achtung gegenüber den Mitmenschen (Yama). ||30||

 

जातिदेशकालसमयानवच्छिन्नाः सार्वभौमामहाव्रतम् ॥३१॥

jāti-deśa-kāla-samaya-anavacchinnāḥ sārvabhaumā-mahāvratam ||31||
Ohne Unterscheidung von sozialer Schicht, Ort, Zeit und Situation in allen Bereichen diese Achtung gegenüber den Mitmenschen einzuhalten, ist eine große Tugend. ||31||

 

शौच संतोष तपः स्वाध्यायेश्वरप्रणिधानानि नियमाः ॥३२॥

śauca saṁtoṣa tapaḥ svādhyāy-eśvarapraṇidhānāni niyamāḥ ||32||
Sauberkeit (Shaucha), Zufriedenheit (Santosha), Selbstdisziplin (Tapas), Lernen von sich selbst (Svadhyaya) und Annehmen seines Schicksals (Iishvara-Pranidhana), das macht die Achtung vor sich selbst aus (Niyama). ||32||

 

वितर्कबाधने प्रतिप्रक्षभावनम् ॥३३॥

vitarka-bādhane pratiprakṣa-bhāvanam ||33||
Unsicherheit bei der Umsetzung kann durch Ausrichtung auf das Gegenteil überwunden werden. ||33||

 

वितर्का हिंसादयः कृतकारितानुमोदिता लोभक्रोधमोहापूर्वका मृदुमध्य अधिमात्रा दुःखाज्ञानानन्तफला इति प्रतिप्रक्षभावनम् ॥३४॥

vitarkā hiṁsādayaḥ kṛta-kārita-anumoditā lobha-krodha-moha-āpūrvakā mṛdu-madhya adhimātrā duḥkha-ajñāna-ananta-phalā iti pratiprakṣa-bhāvanam ||34||
Gedanken der Gewalt (Himsa) führen zu endlosem Leid und Unwissenheit. Dabei ist es egal, ob ich der Täter, Auftraggeber oder Anstifter bin, ob Gier, Ärger oder Verblendung zugrunde liegen oder ob eine Handlung klein, mittelmäßig oder übermäßig ist. Deshalb hilft die Ausrichtung auf das Gegenteil. ||34||

 

अहिंसाप्रतिष्ठायं तत्सन्निधौ वैरत्याघः ॥३५॥

ahiṁsā-pratiṣṭhāyaṁ tat-sannidhau vairatyāghaḥ ||35||
Ist die Gewaltlosigkeit (Ahimsa) einmal beständig, wird im Umkreis jede Feindseligkeit aufgegeben. ||35||

 

सत्यप्रतिष्थायं क्रियाफलाश्रयत्वम् ॥३६॥

satya-pratiṣthāyaṁ kriyā-phala-āśrayatvam ||36||
Ist Wahrhaftigkeit (Satya) beständig, wird jede Aussage die Basis für ein entsprechendes Resultat sein. ||36||

 

अस्तेयप्रतिष्ठायां सर्वरत्नोपस्थानम् ॥३७॥

asteya-pratiṣṭhāyāṁ sarvaratn-opasthānam ||37||
Ist Nichtstehlen (Asteya) beständig, wird aller Reichtum vorhanden sein. ||37||

 

ब्रह्मचर्य प्रतिष्ठायां वीर्यलाभः ॥३८॥

brahma-carya pratiṣṭhāyāṁ vīrya-lābhaḥ ||38||
Wird jede Handlung im Bewusstsein eines höheren Ideals ausgeführt (Brahma-Charya), wird große Stärke erlangt. ||38||

 

अपरिग्रहस्थैर्ये जन्मकथंता संबोधः ॥३९॥

aparigraha-sthairye janma-kathaṁtā saṁbodhaḥ ||39||
Ist Unbestechlichkeit (Aparigraha) beständig, entsteht Wissen über das Ziel des Erden-Lebens. ||39||

 

शौचात् स्वाङ्गजुगुप्सा परैरसंसर्गः ॥४०॥

śaucāt svāṅga-jugupsā parairasaṁsargaḥ ||40||
Reinheit (Shaucha) führt zur Abwendung von der Körperlichkeit und Unberührbarkeit von Äußerlichkeiten. ||40||

 

सत्त्वशुद्धिः सौमनस्यैकाग्र्येन्द्रियजयात्मदर्शन योग्यत्वानि च ॥४१॥

sattva-śuddhiḥ saumanasya-ikāgry-endriyajaya-ātmadarśana yogyatvāni ca ||41||
Auch die Fähigkeit zu Klarheit, Reinheit, Heiterkeit, Ausrichtung, sowie der Sieg über die Sinne und schließlich Selbsterkenntnis entstehen. ||41||

 

संतोषातनुत्तमस्सुखलाभः ॥४२॥

saṁtoṣāt-anuttamas-sukhalābhaḥ ||42||
Durch Zufriedenheit (Santosha) gewinnt man unübertroffenes Glück (Sukha). ||42||

 

कायेन्द्रियसिद्धिरशुद्धिक्षयात् तपसः ॥४३॥

kāyendriya-siddhir-aśuddhi-kṣayāt tapasaḥ ||43||
Durch Selbstdisziplin (Tapa), wird Trübsinn aufgelöst, Körper und Sinne erhalten übernatürliche Kraft. ||43||

 

स्वाध्यायादिष्टदेवता संप्रयोगः ॥४४॥

svādhyāyād-iṣṭa-devatā saṁprayogaḥ ||44||
Das Lernen von sich selbst (Svadhyaya) bringt Verbindung zum ersehnten Ideal. ||44||

 

समाधि सिद्धिःीश्वरप्रणिधानात् ॥४५॥

samādhi siddhiḥ-īśvarapraṇidhānāt ||45||
Durch Annehmen seines Schicksals (Iishvara-Pranidhana) entstehen Selbsterkenntnis (Samadhi) und übernatürliche Kräfte (Siddhi). ||45||

 

स्थिरसुखमासनम् ॥४६॥

sthira-sukham-āsanam ||46||
Durch Praxis mit Kraft (Sthira) und Gelassenheit (Sukham) entsteht Harmonie im physischen Körper (Asana). ||46||

 

प्रयत्नशैथिल्यानन्तसमापत्तिभ्याम् ॥४७॥

prayatna-śaithilya-ananta-samāpatti-bhyām ||47||
Wesentlich in dieser Praxis ist sowohl ein gleichmäßiger weicher (Shaitilya) Atem (Prayatna), wie auch (Abhyam) die Konzentration (Samapatti) auf das schlangenhafte Zischen des Atems (Ananta). ||47||

 

ततो द्वङ्द्वानभिघातः ॥४८॥

tato dvaṅdva-an-abhighātaḥ ||48||
Daraus entsteht Sieg über die Dualität der physischen Welt. ||48||

 

तस्मिन् सति श्वासप्रश्वास्योर्गतिविच्छेदः प्राणायामः ॥४९॥

tasmin sati śvāsa-praśvāsyor-gati-vicchedaḥ prāṇāyāmaḥ ||49||
Nachdem dieses erreicht ist, entsteht Transzendenz der mit der Einatmung (Shvasa) und Ausatmung (Prashvasa) verbunden physischen Bewegung (Gati). Dies ist die Energiearbeit (Pranayama). ||49||

 

बाह्याभ्यन्तरस्थम्भ वृत्तिः देशकालसन्ख्याभिः परिदृष्टो दीर्घसूक्ष्मः ॥५०॥

bāhya-ābhyantara-sthambha vṛttiḥ deśa-kāla-sankhyābhiḥ paridṛṣṭo dīrgha-sūkṣmaḥ ||50||
Ausatmung, Einatmung, Anhalten, Technik, Zeit, Anzahl müssen über lange Zeit sehr genau reguliert werden. ||50||

 

बाह्याभ्यन्तर विषयाक्षेपी चतुर्थः ॥५१॥

bāhya-ābhyantara viṣaya-akṣepī caturthaḥ ||51||
Die vierte Technik des Pranayama transzendiert schließlich das Anhalten des Atems nach Aus- oder Einatmung. ||51||

 

ततः क्षीयते प्रकाशावरणम् ॥५२॥

tataḥ kṣīyate prakāśa-āvaraṇam ||52||
Dann verschwindet der Schleier vom Licht des wahren Selbst. ||52||

 

धारणासु च योग्यता मनसः ॥५३॥

dhāraṇāsu ca yogyatā manasaḥ ||53||
Und der Geist wird auf Harmonie mit den Gedanken (Dharana) vorbereitet. ||53||

 

स्वविषयासंप्रयोगे चित्तस्य स्वरूपानुकारैवेन्द्रियाणां प्रत्याहारः ॥५४॥

svaviṣaya-asaṁprayoge cittasya svarūpānukāra-iv-endriyāṇāṁ pratyāhāraḥ ||54|| Wenn die Sinne sich nicht mit den äußeren Objekten verbinden, und so die wandelbare Natur des Menschen (Chitta) der wahren Natur ähnlich wird, wird Harmonie mit den Emotionen (Pratyaahara) erreicht. ||54||

 

ततः परमावश्यता इन्द्रियाणाम् ॥५५॥

tataḥ paramā-vaśyatā indriyāṇām ||55||
So entsteht die höchste Kontrolle über die Sinne. ||55||

 

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